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Es geht darum, wie der Behördenapparat mit diversen antidemokratischen, teils rechtsextremen Strömungen umgeht, die regelmäßig ans Licht kommen – und die vonseiten der Polizei meist als Einzelfälle dargestellt werden.
Der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr hält es für wichtig, dass diese Strömungen innerhalb der Polizei aufgearbeitet werden. Im Gespräch mit t-online betont er: “Es gibt strukturelle Grundlagen für antidemokratisches Verhalten. Das wird durch die Organisation der Arbeit und Dominanzkultur der Polizei befördert.” Das “krampfhafte” Festhalten an der Einzelfallthese müsse überwunden werden.
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So zeigte die Megavo-Polizeistudie (Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten) aus dem vergangenen Jahr einen geringen Anteil an Verfassungstreue. Dort lehnten lediglich 29 Prozent der befragten Polizeibeamten Autoritarismus kategorisch ab, 13 Prozent befürworteten ihn. Der Rest zeigte sich zumindest anfällig. Das zeigt laut Behr allerdings, dass mit aktiver Präventionsarbeit auch noch etwas gerettet werden könne. Er betont daher: “Ich halte die Polizei nicht für rechtsextrem, schon gar nicht insgesamt. Aber ich sehe eine gewisse Anfälligkeit für autoritäre Verführungen.”
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Ehrlich gesagt kann ich es schon nachvollziehen. Warum?
Nun, die Polizei hat in der Regel mit Menschen zu tun die sich gerade in einer persönlichen Tiefphase befinden - entweder weil ihnen ein Unrecht angetan wurde und sie nun Hilfe bei der Polizei suchen, weil sie der (vermeintliche) Auslöser dieses Unrechts sind oder weil sie mit der Polizei konfrontiert werden die Gesetze durchsetzt die von den Menschen als ungerecht / ungerecht angewendet wahrgenommen werden. Kurz: Wer ist happy wenn er mit Polizisten zu tun hat?
Dazu kommt, dass die Polizeibeamten oft sehen, dass ihr Alltag aus Sisyphusarbeit besteht. Der Drogendealer der heute hops genommen wird steht entweder morgen an der gleichen Stelle oder wird prompt - die Natur verabscheut ja bekanntlich ein Vakuum - vom nächsten ersetzt.
Außerdem: Greifst du als Polizist zu hart durch ist es ein Fehler, bist du zu soft ist es ebenfalls einer - dann heißt es später wieder “der Täter war der Polizei bekannt”. Kurz - egal was du tust, du wirst gehasst werden.
Wenn ich mich in die Situation hinein versetze kann ich mir schon vorstellen, dass du irgendwann zu dem Schluss kommst: “Wenn wir eh nur alles verkehrt machen können, dann können wir auch direkt mit dem eisernen Besen auskehren”.
Keine schöne Entwicklung, und ehrlich gesagt habe ich auch keine Ahnung wie man so etwas wieder in eine positivere Richtung drehen könnte.
Aber diese Probleme sind einem nach kurzer Überlegung doch auch bewusst, bevor man Polizist wird. Und ich denke ein Mensch muss schon gewisse problematische Werte vertreten, um auf die Idee zu kommen, dass mehr Gewalt und Repression dann die Lösung sind, und nicht die Erschaffung eines gerechteren und sinnvolleren Systems. Das sind dann gerade die Menschen, die Polizisten werden, und wir können uns alle fragen, ob das die Charaktere sind die mit der Ausübung staatlicher Gewalt beauftragt werden sollten.
Ich habe zwei Polizisten in der Verwandtschaft und würde die beiden persönlich als das was drüben auf Reddit als “FDGO Ultras” bezeichnet wird einordnen.
Warum wird jemand Polizist? Ich denke mal um diese Entscheidung zu treffen muss man sich prinzipiell mit der Rolle des Staates als Gewaltmonopolist und den prinzipiellen Werten des Staatskonstruktes für den man arbeitet identifizieren - niemand nimmt doch die Ausbildung und alles auf sich nur um autoritäre Phantasien ausleben zu können. Ich denke das ist auch der Grund warum man wenige Menschen die links der SPD stehen im Polizei- oder Militärdienst findet: Wer den Staat in seiner jetzigen Form ablehnt wird wohl kaum eine Rolle einnehmen die ihn schützt.
Ich wurde teilweise auch dadurch radikalisiert, dass ich ein paar Jahre im Sicherheitsdienst arbeitete, unter anderem im Veranstaltungsschutz, als Türsteher, als Ladendetektiv, im Objektschutz usw. Insbesondere als Ladendetektiv musste ich häufig die Polizei hinzuziehen und habe aus direkter Nähe miterlebt, wie unterschiedlich verschiedene Menschen von Polizist*innen behandelt wurden. Wirklich eingeprägt hat sich eine Situation, in der ich eine Person ohne Ausweis oder nennenswerte Kenntnisse festgehalten hatte und anzeigen musste, dazu die Polizei zwecks Identitätsfeststellung hinzuziehen. Der Mann war friedlich, sprach halt nur kein Deutsch, und lebte erkennbar in prekären Verhältnissen, hatte auch keinen festen Wohnsitz. Nach meinem Anruf kamen vier Polizisten, kein Dolmetscher, und nahmen den Mann so in die Mangel, dass sie bei ihm eime Panikattacke auslösten. Am Ende wurde er in Handschellen ziemlich unsanft abgeführt und in einen Polizeibus verfrachtet. Zwei Jahre später wurde ich als Zeuge in diesem Fall vor Gericht geladen (was sowieso schon eine Besonderheit war), die Anklage lautete auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Auf meine Aussage, dass die Beamten von Beginn an dem Angeklagten gegenüber unfreundlich und ruppig auftraten und die Eskalation bis zur Panikattacke von den Beamten ausging, wurde meine Glaubwürdigkeit als Zeuge von der Staatsanwaltschaft versucht, zu zerlegen, und im Endeffekt hat sie keine Rolle gespielt, weil die vier Polizisten einander gegenseitig den Rücken stärkten. Der Mann war übrigens aus Syrien geflüchtet.
Jetzt kommt der Haken: ich könnte mir das ausgedacht haben, oder man könnte meine Erfahrung als nicht repräsentativ und anekdotische Evidenz abtun und hätte mit zweiterem sogar Recht, so wie deine Bekannten bestenfalls anekdotische Evidenz und nicht repräsentativ sind. Dafür gibt es belastbare Statistiken, und die zeigen, dass auf die Polizei als Institution und den Großteil der Beamt*innen im Kampf für die Demokratie und gegen Autoritarismus keinen Verlass ist.
Die Situation die du da schilderst ist eigentlich ein klassisches Beispiel dafür wie es NICHT laufen sollte. Die Frage wäre: Wie kann man die derzeit vorhandenen Strukturen entsprechend umbauen um solche Ereignisse nachhaltig zu verhindern?
Ich könnte mir persönlich durchaus vorstellen, dass Bodycams da eine gute Hilfe wären - aber nicht in der Form, dass Beamte Zugriff auf die Daten haben oder Kontrolle darüber haben ob die Geräte eingeschaltet sind. Speicher ist doch heute wirklich billig, es wäre also möglich die Kameras von Dienstbeginn bis Dienstende laufen zu lassen, die aufgenommenen Videos werden verschlüsselt gespeichert und am Ende der Schicht - immer noch verschlüsselt - auf einen Server hochgeladen. Wird nun Videomaterial benötigt kann die Datei bzw. der gespeicherte Zeitraum nach Richterentscheidung entschlüsselt werden. Sollten “zufällig” die Akkus aller beteiligten Beamten leer gewesen sein oder “zufällig” alle Kameras beteiligter Beamte von Kleidungsstücken oder ähnliches verdeckt gewesen sein hätte man direkt eine Möglichkeit so einen Fall komplett in Zweifel zu ziehen.
Nur mal so eine (bestimmt nicht originelle) Idee…
Genau das. Die Antwortndarauf iat aber nicht autoritäre Tendenzen in den Polizeien irgendwie wegerklären zu wollen oder mit “ist doch nachvollziehbar, weil die Armen werden ja eh für alles kritisiert ¯\_(ツ)_/¯” zu kommentieren.
Und ich bin mit einem zur Schule gegangen der Polizist geworden ist. Eigentlich alle haben gedacht, dass er mehr so auf der anderen Seite des Gesetzes steht.
Gibt halt solche und solche. Das ist toll, dass deine Verwandten FDGO Ultras sind. Es gibt halt trotzdem viel zu viele die es nicht sind und die auch von FDGO Ultras gedeckt werden. Bei deinen Verwandten mag das anderes sein und ich habe keinen Grund deine Schilderung anzuzweifeln aber der Polizeiwissenschaftler warnt ja nicht aus Spaß.
Implizierend, dass die Linke hier Staatsfeind Nr. 1 ist. Die AfD lehnt doch den Staat ganz offensichtlich und unverhohlen ab und trotzdem finden sich haufenweise AfD-ler in der Polizei. Oder verstehe ich etwas falsch?
Ich denke die Gründe warum jemand Polizist wird sind vielfältig und natürlich nicht ausschließlich darauf beschränkt der nette Freund und Helfer sein zu wollen. Ich würde behaupten, dass nicht wenige den Job ausführen um legal Macht ausleben zu können. Und das sogar ziemlich unbehelligt, wenn niemand die Schuld bei ihnen sehen will. Zumindest die DPolG tut es in aller Regel nicht.
Die AfD (so wie die meisten Rechten generell) lehnen den deutschen Staat als Konstrukt nicht ab - nur die Form wie dieser Staat geführt werden soll bzw. teilweise auch nur wie vorhandene Gesetze in diesem Staat angewendet werden sollen. Bei den meisten Linken jenseits der SPD schwingt dagegen halt immer noch ein wenig der Antiautoritarismus und die generelle Ablehnung des Konstruktes “Staat” mit.
Aber deswegen anzunehmen, dass die rechten in die Polizei gehen um diesen Staat zu schützen ist doch dann brandgefährlich. Die sind im Zweifel dazu angetreten ein komplett anderes Staatsgebilde zu schaffen. Irgendeinen Staat zu wollen ist nicht wesentlich besser als keinen Staat zu wollen.
Dies. Man bedenke: Hitler hatte auch einen Staat. Kim Jong-un hat einen.
Mir geht es nicht nur darum, dass Anarchisten sicher keine Polizisten werden. Man würde sich eine Polizei wünschen, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht, und in der Theorie haben Polizisten auch die Pflicht zur Remonstration, wenn sie unzulässige Anweisungen erhalten.
Bei der Art von Menschen, die tatsächlich Polizist werden wird aber schnell klar, dass die Durchführung illegaler Grenzkontrollen, Gewalt und Einschüchterung gegenüber Demonstrierenden (oder Menschen, die gemeine Twitter-Kommentare zu Politikern schreiben) uvm. offensichtlich keine Gewissensbisse hervorrufen.
Wer Polizist wird, verpflichtet sich also freiwillig dazu, (auch illegale) Gewalt gegen Bürger zum Erhalt der aktuellen Machtstrukturen und Kapitalinteressen einzusetzen. Das geht meiner Meinung nach nur mit fragwürdigen Moralvorstellungen und/oder Autoritätsphantasien.
Das Recht zur Remonstration oder Befehlsverweigerung ist aber kompliziert. Zur Pflicht zur Ablehnung wird es jedenfalls erst mit offensichtlicher Verfassungswidrigkeit.
Eine moralische Verpflichtung nicht an Gewalt und Repression teilzunehmen besteht aus meiner Sicht aber in jedem Fall. Daher ja die Einschätzung zu fragwürdigen Moralvorstellungen.
Fair, die trifft aber jeden Einzelnen ob Uniformiert oder nicht.